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Zivilcourage und Weitblick sind gefragt

Die Ortsentwicklung unserer Heimatgemeinde steht an einem Wendepunkt. Ohne Einbindung der Bevölkerung will die Gemeindeführung das Projekt Wr. Neustädter Straße durchsetzen: Ein neuer Ortsteil - mit mehr Wohneinheiten als Wampersdorf oder Siegerdorf Haushalte hat – mitten im Grünen. Dabei gibt es ausreichend Baulandreserven, auch wenn diese nicht zusammenhängen. Statt mit Empathie, Weitblick und Dialog unseren Ort mit all seinen Ortsteilen nachhaltig zu gestalten, wählt die Gemeindeführung den bequemeren Weg und will auf fruchtbarem Ackerland einen komplett neuen Ortsteil aus dem Boden stampfen.

Seit 13. Jänner liegt der Entwurf zur Änderung des Flächenwidmungsplans für sechs Wochen im Gemeindeamt auf.
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Das Bodenversiegelungsprojekt Wr. Neustädter Straße - welches die derzeitige Gemeindeführung mit allen Mitteln umsetzen will - kommt in die nächste Phase. Seit 13. Jänner liegt ein Änderungsentwurf zum Flächenwidungsplan am Gemeindeamt zur Einsicht auf. 
Fr. Prof. Dr. Michaela Paal - Professorin für "Stadtgeographie/Raumplanung" am FB19 der Philipps-Universität Marburg - hat die Unterlagen auf der Gemeinde eingesehen und eine Zusammenfassung für uns niedergeschrieben. Prof. Dr. Michaela Paal hat bereits einen viel beachteten Vortrag im Zuge der Ortsgespräche 2022 gehalten und uns die fachspezifische Materie auf verständliche Art und Weise näher gebracht. 
 

Die geplante Änderung des Flächenwidmungsplans

und die Erstellung eines Teilbebauungsplans zugunsten eines „Projektes Wr. Neustädterstraße“ 2025

Auf dem Gebiet westlich der Wr. Neustädterstraße soll im Zuge einer Ausweitung der Siedlungsfläche bis zur südlichen Gemeindegrenze in den nächsten 15 Jahren ein neues Viertel mit 480 Wohnungen, einem Kindergarten einem Sportplatz und Kleingärten entstehen. Begründet wird dieses Vorhaben mit der Notwendigkeit, Pottendorf weiterzuentwickeln.

1. Der angebliche Wohnraumbedarf

Seitens der Gemeindeführung wird ständig auf den herrschenden (von dieser durch Abriß bestehender Wohnbauten partiell mutwillig herbeigeführten) Wohnraummangel in der Gemeinde verwiesen, wobei das Projekt Wr. Neustädterstraße nun Abhilfe schaffe, indem erschwinglicher Wohnraum für die GemeindebürgerInnen angeboten werde und somit auch künftig die räumliche Nähe von Enkeln und Großeltern sichere.

Diese idyllische Darstellung entspricht leider nicht der Realität, denn

1. gründet sich das rasche Bevölkerungswachstum der letzten zehn Jahre ausschließlich auf externe Nachfrage (siehe Grundlagenbericht des von der Gemeinde bevorzugt involviertenen Planungsbüros HAMETER 2018). Diese externe Nachfrage wird seitens der Gemeindepolitik bewußt gefördert, um die Einwohnerzahl über die 10.000er Marke anzuheben und dadurch höhere Finanzzuwendungen des Landes zu erhalten.

Sollte dieses Projekt verwirklicht werden, stiege die Bevölkerung in den nächsten zehn Jahren von derzeit 7.681 (2024) auf 11.000 (2025) an (siehe Abb. 1). Damit wird natürlich zusätzlicher Bedarf an Infrastruktur erzeugt, womit die Gemeinde in einen bereits in den letzten Jahren zu beobachtenden Teufelskreis aus notwendigen Investitionen in öffentliche Einrichtungen und erforderlichem weiteren Zuzug zur Finanzierung und Auslastung derselben gerät.

Abbildung 1: Die Bevölkerungsentwicklung der Großgemeinde Pottendorf bis 2035
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2. hat die Gemeindeführung auf die Vergabe der im Teilbebauungsplan Wr. Neustädterstraße vorgesehenen Wohnungen den geringsten Einfluß. Deren Vergabe obliegt in erster Linie dem Bauträger (Caritas/Erzdiözese Salzburg), und dieser ist nicht verpflichtet, PottendorferInnen zu bevorzugen.

3. läßt sich erschwinglicher Wohnraum auch ohne ein derartiges Megaprojekt schaffen, indem vorhandener Baubestand nicht weiter absichtlich dem Verfall preisgegeben, sondern saniert wird oder der Rückgriff auf vorhandene Baulandreserven erfolgt.

4. Interessanterweise wird weder von der Gemeindeführung noch seitens des Planungsbüros (dem ja auch die Grundlagenforschung für den Änderungsentwurf oblag) erwähnt, daß in der Gemeinde immer wieder Bestandsimmobilien auf den Kauf- und Mietimmobilienmarkt gelangen, da die Erbengeneration häufig keinen Eigenbedarf hat. Allein dieses Angebot würde zur Befriedigung der örtlichen Nachfrage inkl. eines moderaten Zuzugs höchstwahrscheinlich den größten Teil des Bedarfs decken.

2. Das vorgesehene Projektgebiet

Entsprechend der für die Gemeinde verbindlichen Widmungsvorgaben aus dem Regionalen Raumordnungsprogramm Südliches Wiener Umland handelt es sich bei der betreffenden Fläche um landwirtschaftliches Vorranggebiet (= besonders geeignet für landwirtschaftliche Nutzung und von Bedeutung für das Erscheinungsbild der Kulturlandschaft).

Solche Flächen dürfen nur umgewidmet werden, wenn für die beabsichtigte neue Widmung (lt. Änderungsentwurf in Bauland Kerngebiet Bauklasse III mit erlaubter Bauhöhe vom 11m und Bauklasse II mit einer zulässigen Gebäudehöhe von 8m!) keine anderen Flächen in Betracht kommen.

Übrigens: das betreffende Gebiet ist lt. geltendem Flächenwidmungsplan auch als Grundwasserschongebiet, Bodendenkmal und archäologisches Fundhoffnungsgebiet ausgewiesen, aber dies scheinen vernachlässigbare Fakten zu sein.

Aufgrund der geltenden Rechtslage des Regionalen Raumordnungsprogramms Südliches Wiener Umland ist die beabsichtigte Umwidmung entlang der Wr. Neustädterstraße also nicht zulässig. Ob die NÖ Landesplanungsbehörde die Aufhebung der derzeitigen Nutzungskategorie im Regionalplan angeblich erwägt, ist bis zum Inkrafttreten einer solchen allfälligen Änderung nebensächlich.

 3. Keine Flächenalternativen für Wohnungsbau?

Pottendorf verfügt lt. Grundlagenbericht des Planungsbüros HAMETER (2018) über ein beträchtliches Potenzial an bereits als Wohnbauland gewidmeten, aber bislang unbebauten Flächen von insgesamt 70 ha (siehe Abb. 2). Selbst wenn die Nachfrage bis 2035 unvermindert stark anhalten sollte (und deren Steuerung obliegt im Wesentlichen der Gemeinde), werden in den nächsten zehn Jahren nur 46 ha Bauland dieser Flächenreserve benötigt.

Natürlich bilden diese Reserven keine zusammenhängende Fläche, sondern liegen im bestehenden Siedlungsgebiet. Sie zu nutzen, bevor an eine weitere, flächenhafte Außenentwicklung gedacht werden kann, schreibt das NÖ Raumordnungsgesetz in §14 Abs.2 ebenso explizit vor wie eine möglichst flächensparende Vorgangsweise bei der Siedlungstätigkeit und die Flächensicherung für die Landwirtschaft.

Klar ist: Pottendorf wird sicher nicht auf Dauer einen Suburbanisierungsdruck auffangen können, der sich wie eine Welle immer weiter von Wien ins Umland ausbreitet und bereits dazu geführt hat, dass andere Gemeinden mit ähnlich verkehrsgünstiger Lage (Autobahnanschluß) bereits die letzten Baulandreserven und ein beträchtliches Maß an Lebensqualität für die Gemeindebürger eingebüßt haben. Zudem gibt es nirgendwo eine Vorgabe, dass die Befriedigung von Wohnraumnachfrage in Form eines Monsterprojektes auf der grünen Wiese zu geschehen hat (hinter dessen Verwirklichung offensichtlich beträchtliche Partikularinteressen stehen).

 Abbildung 2: Wohnbaulandreserven in der Großgemeinde Pottendorf
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4. Eine spannende Frage: wer profitiert von diesem Projekt?

Mit Sicherheit ist es nicht die Pottendorfer Bevölkerung – diese trägt seit Jahren die Belastungen beständig vorangetriebener Siedlungserweiterung und ist mit zunehmendem Verkehr, fortschreitender Bodenversiegelung, Verlust von ortsbildprägenden Bauten und Freiflächen, Tragfähigkeitsproblemen bei Infrastruktureinrichtungen und dem Verlust jener Lebensqualität konfrontiert, die die Gemeinde noch in den frühen 2000er Jahren ausgezeichnet hat.

Die Gewinner der geplanten Siedlungserweiterung sind die Grundstückseigentümer der derzeit noch landwirtschaftlich genutzten Flächen, da diese durch die Umwidmung in Wohnbauland eine enorme Wertsteigerung erfahren. Werden die umgewidmeten Flächen wie geplant an den Bauträger der Wohnbauten und an die Gemeinde (Kleingärten!) bloß auf Zeit verpachtet, sind zusätzlich zur Wertsteigerung risikofreie Einnahmen für die nächsten Jahrzehnte sichergestellt.

Der Bauträger profitiert vom Ausreizen der maximal zulässigen Bebauungshöhe von 11m bzw. 8m für Wohnbauten in anspruchsloser Einheitsarchitektur. Dabei sollte man meinen, Pottendorf wäre mit einfallslosen Flachdachbehausungen bereits im Übermaß gesegnet. Interessant wäre auch die Klärung der Frage, was mit dem gesamten Ensemble nach Ablauf der Pachtverträge geschieht – ist dann die Gemeinde im Rahmen von „Public-Private-Partnership“ möglicherweise sogar zum Kauf abgewohnter Wohnanlagen verpflichtet?

Und es gewinnt der Bürgermeister, wenn es ihm gelingt, durch den Zuzug die Einwohnerzahl der Gemeinde über die 10.000er-Grenze zu steigern – allerdings werden die zusätzlichen Landesmittel vor allem in die benötigte Infrastruktur fließen müssen, während das höhere Bürgermeistergehalt nur einen konkreten Nutznießer kennt.

5. Das Projekt im Detail?

Über bauliche Details dessen, was im Rahmen des „Projekts Wr. Neustädter Straße“ tatsächlich entstehen soll, herrscht ungeachtet der Dimensionen (480 Wohnungen sind schließlich keine Kleinigkeit) Unklarheit. Bislang existieren lediglich zwei unverbindliche Darstellungen der zukünftigen Bebauungsstruktur mit bemerkenswerten Unterschieden, in beiden Fällen von der SPÖ Pottendorf veröffentlicht (siehe Abb. 3).

Abbildung 3: Die beiden der Bevölkerung bislang präsentierten Bebauungsvarianten
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Quellen: Bild links: https://www.teamtsv.at/2022/05/18/spoe-forum-und-fpoe-stimmten-fuer-die-weiterentwicklung-unserer-gemeinde/; Bild rechts: https://www.teamtsv.at/wp-content/uploads/simple-file-list/downloads/oeffentlich/Allgemein/erzaehl_mal_was_in_pottendorf_geschehen_wird_programm_2025_2030.pdf

Wer sich daher Aufklärung über das Aussehen des geplanten Siedlungsteils durch den nun zur Einsichtnahme aufliegenden Entwurf eines Teilbebauungsplans erhofft, wird zumindest hinsichtlich des Überdimensionalen nicht enttäuscht. Obwohl ein Teilbebauungsplan lt. §30 NÖ ROG neben Informationen zur Verkehrserschließung auch verbindliche Regelungen hinsichtlich der baulichen Gestaltung enthalten könnte, beschränkt sich der vorliegende Entwurf auf das Allernötigste: Baufluchtlinien, Bauwich, Art der Bebauung (in diesem Falle offen), Geschoßflächenzahl/Grundflächenzahl und die Bauklassen.

Doch auch diese Informationen haben es – vor allem hinsichtlich der zulässigen Bauhöhe – in sich (siehe Abb. 4).

Abbildung 4: Vorgesehene Flächenwidmung und Bauklassen lt. Teilbebauungsplan
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Quelle: Entwurf zum Teilbebauungsplan Wr. Neustädterstraße (2025)

Gegen dieses überdimensionierte Projekt haben bereits nach dem ersten Bekanntwerden des Bauvorhabens mehr als 1.200 engagierte Gemeindebürgerinnen protestiert und ihren Widerstand mit ihren Unterschriften bekräftigt. Der Gemeindeführung wurde dieser Protest zur Kenntnis gebracht, doch erfolgte bis heute nur insofern eine Reaktion, als dass nun ungeachtet aller Einwände die gesetzlichen Grundlagen zur Projektverwirklichung geschaffen werden sollen.

Übrigens: sich bei der für das Projekt erforderlichen Änderung des Flächenwidmungsplans auf angeblich schon längst beschlossene neue Siedlungsgrenzen im Örtlichen Entwicklungskonzept 2018 zu berufen (siehe Erläuterungen zur Maßnahme 01 im Flächenwidmungsänderungsentwurf 2025, S.13), ist als Begründung unzureichend, da dieses RO-Instrument (im Gegensatz zum verbindlichen Flächenwidmungsplan) lediglich ein Leitbild für eine mögliche künftige Entwicklung abbildet. Daher lässt sich aus dort eingetragenen, möglichen Siedlungserweiterungszonen keine Verbindlichkeit ableiten – es handelt sich lediglich um „Kann“-Bestimmungen, die nicht zwingend umgesetzt werden müssen.

6. Anmerkungen zu den an die Realisierung der Wohnbauten geknüpften Versprechungen weiterer Maßnahmen

  • Einer der gern genannten Vorzüge des Projekts betrifft die zwischen den neuen Wohnblöcken und der Bundesstraße 60 zu schaffenden Kleingärten, die der Erholung der Bevölkerung dienen sollen. Allerdings ist unklar, welchen Erholungswert ein Kleingarten haben soll, wenn unmittelbar daneben der Zubringerverkehr in Richtung Autobahnanschluß vorbeirauscht.
  • Die als Sportanlage im Teilbebauungsplan eingezeichnete Fläche scheint in den Augen der Gemeindeführung ebenfalls zu den Vorzügen des Projektes zu zählen. Dabei verfügt Pottendorf bereits über ausreichende Sportflächen in allen Ortsteilen. Was hier in unmittelbarer Nähe zur Bundesstraße und am äußersten Rand des Gemeindegebiets gebaut werden soll, ist weder zentral noch notwendig. Vielmehr handelt sich um weitere Flächenversiegelung, da zusätzlich zu den Sportanlagen auch Ergänzungsbauten (Umkleidekabinen, Toiletten und Duschanlagen etc., Parkplätze) errichtet werden müssen. Das Ganze als „Ruhezone“ zu deklarieren, ist angesichts einer 15-jährigen Dauerbaustelle ein frommer Wunsch.
  • Dass die Umsetzung dieses überdimensionierten Siedlungsteils auch gleichzeitig die Verwirklichung der Ortsumfahrung bedeutet, ist nicht mehr als Illusion. Dass die dafür erforderlichen Flächen bereits im Flächenwidmungsplan eingetragen sind, sagt nichts über den Zeitpunkt der Umsetzung aus. Die Umfahrung ist nämlich ausschließlich Landessache und somit abhängig von den dort festgestellten Prioritäten. Gleiches gilt für den angeblich projektimmanenten Automatismus einer Geschwindigkeitsbegrenzung von max. 50km/h ab der südlichen Ortseinfahrt. Detail am Rande: ausgerechnet ein Teil der Freihaltefläche für die Ortsumfahrung soll zugunsten des Sportplatzes rückgewidmet werden.

7. Auswirkungen derart großflächiger Umwidmungen auf die Lebensqualität der Bewohner

  • Verlust einer der wichtigsten zusammenhängenden Kulturlandschaftsflächen Pottendorfs in unmittelbarer Nachbarschaft zum bestehenden Siedlungsgebiet;
  • 15 Jahre lang permanenter (Bau)Lärm und Staubbelastung aufgrund der Großbaustelle, und zwar nicht nur für die unmittelbaren AnrainerInnen, sondern für die gesamten Siedlungsteile Rehfing, Hinter den Gärten und Hirschmühle;
  • Nach Fertigstellung der 480 neuen Wohnheiten wird es weiterhin zu Verkehrs-, Lärm- und Umweltbelastungen kommen, da im günstigsten Fall pro neuem Haushalt mit 1,5 weiteren Fahrzeugen zu rechnen ist.
  • Zu behaupten, dass von dem Projekt keinen unzumutbaren Belästigungen durch Lärm für künftige KleingartennutzerIinnen bzw. die BewohnerInnen des bestehenden Wohngebietes östlich der Wiener Neustädter Straße ausgingen (vgl. Erläuterungen zur Maßnahme 01 im Flächenwidmungsänderungsentwurf 2025, S.20) ist auch angesichts der einzigen Zufahrtsmöglichkeit über die Wr. Neustädterstraße ziemlich dreist;
  • Die ständige Steigerung der Einwohnerzahl bedeutet Folgekosten für den Ausbau einer Infrastruktur, die für die derzeitige Bevölkerung mehr als ausreichend ist – viele der von der Gemeindeführung genannten Projekte wären also ohne diese massive Siedlungsexpansion gar nicht notwendig.
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